top of page

WIEDER IN DER ROTEN MAPPE: GÖDRINGER WOHNHAUS ERNEUT KRITISIERT

Der Niedersächsische Heimatbund führt den Neubau in der Daniel-Gieseke-Straße wieder als Negativbeispiel an / Landesbehörde soll zu mehr Schutz der Ortskerne bewegt werden

Von Viktoria Hübner


Gödringen.

Bereits im vergangenen Jahr ging der Niedersächsische Heimatbund (NHB) in seiner Roten Mappe mit dem neuen Reihenhauskomplex in der Daniel-Gieseke-Straße hart ins Gericht. Als Negativbeispiel für die Zerstörung historischer Dorfkerne bezeichnete der Dachverband der Heimat- und Bürgervereine seinerzeit das Gebäude in direkter Nachbarschaft zur St.-Nicolai-Kirche (die HAZ berichtete). Nun hat es das Objekt erneut in den Jahresbericht, die Rote Mappe, geschafft. Unter dem Titel „Gödringen ist überall“ will der NHB die Landesbehörden zu mehr Schutz und Pflege gewachsener Ortskerne bewegen.

Im Wesentlichen lässt der Verein in seinem Bericht „die zu Recht frustrierte und verärgerte Bürgerschaft“ zu Wort kommen – und die lässt kein gutes Haar an dem Neubau. Von einem „monströsen Reihenhaus“, von „kahlen Garagen, einer sterilen, in der Ausführung fensterlosen Giebelwand des Wohnblocks“ ist dort die Rede: „Die Ansicht würde einem unbelebten Hafenviertel in seiner hintersten Ecke alle Ehre machen.“

Gerade diese öffentlichen Reaktionen als auch die Unzufriedenheit mit der Antwort der Landesregierung 2020 hat den NHB bewogen, Gödringen noch einmal in die Rote Mappe aufzunehmen, wie Geschäftsführer Thomas Krüger auf HAZ-Nachfrage erklärt. Quasi ein „Gödringen reloaded“ (zu deutsch nachgeladen).

So hatte das Land damals in seiner Weißen Mappe – dem Gegenstück zur Roten Mappe – argumentiert, dass das Einfügen eines Gebäudes nach städtebaulichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, also nach Art der Nutzung, Größe und Grundstücksfläche. „Nicht aber im Hinblick auf die ästhetische Wirkung.“ Vor diesem Hintergrund habe der Landkreis Hildesheim korrekt geurteilt. Gründe, die beantragte Baugenehmigung zu versagen, habe es nicht gegeben.

Rückendeckung bekam Investor Oleg Klein, Geschäftsführer der KDW Baubetreuung und Grundstücksentwicklungsgellschaft aus Giesen, anschließend auch seitens von Stadtratspolitikern und Anwohnern. Diese waren vor allem froh, dass „der Schandfleck“, wie ihn viele nannten, verschwunden war.

Immer wieder gab es auf dem verwilderten und vermüllten Grundstück Probleme mit Ratten. Zudem stellten herabfallende Ziegel eine Gefahr dar. Als Lehre aus der Ratten-Plage verschärfte die Stadt Sarstedt sogar ihre Gefahrenabwehr-Verordnung. Dann kaufte Klein 2018 die 1800 Quadratmeter große Fläche bei einer Zwangsversteigerung. Die baufällig gewordene Hofanlage wich sieben Reihenhäusern unter einem Satteldach.

„Das Problem hinter Gödringen ist ja, dass die Baukonjunktur und der Wohnungsmangel derartige Investitionen gerade in den Speckgürteln der Städte begünstigt“, erklärt Krüger, „wobei unseres Erachtens baukulturelle und denkmalpflegerische Aspekte im Sinne von identitätsstiftendem Erhalt gewachsener Strukturen in den Ortskernen zusehends verloren gehen.“

Oder aber beliebige Bauformen, gepaart mit Flächenverbrauch an den Ortsrändern, sorgten teils für eine Verödung der Kerne, der sogenannte Donut-Effekt tritt ein. Dies konterkariere auch die Bemühungen, angesichts von Klimawandel und Artenschwund, Ressourcen zu schonen. „Fachleute weisen immer wieder darauf hin, dass Abriss und Neubau bis zu viermal mehr (Energie-)Ressourcen frisst als die Sanierung von Altbauten“, betont Krüger. Mittlerweile gebe es bereits das Phänomen Bausandmangel. „Insofern verstehen wir Gödringen als Beispiel unter vielen, man braucht nur offenen Auges durchs Land zu fahren.“

Der eigentliche Knackpunkt sei aber, dass die Bauaufsicht zur kommunalen Autonomie gehört, das Land also relativ wenig Einfluss auf die Planungen hat. Vordergründig, wie Krüger jedoch meint. „Natürlich besteht für eine Regierung immer auch die Möglichkeit, im übertragenen Wirkungskreis steuernd einzuwirken, angefangen bei einer offensiven Informationspolitik über Fördermöglichkeiten bis hin zu Gesetzesinitiativen.“

Auf den erneuten Vorstoß des NHD hat die Landesregierung nicht reagiert. Muss sie allerdings auch nicht, denn der Landesregierung steht es immer frei, auf einzelne Beiträge zu antworten oder auch nicht – auch ohne eine Begründung.


Artikel in der HAZ: Text
bottom of page